Ljudmila Ulitzkaja

Am 19. und 20. Oktober 2012 war die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja bei "Literatur im Nebel" in Heidenreichstein zu Gast.

Nach Salman Rushdie (2006), Amos Oz(2007), Jorge Semprun (2008), Margaret Atwood (2009), Hans Magnus Enzensberger (2010) und Nuruddin Farah (2011) ist sie der siebte Ehrengast dieses Literaturfestivals im nördlichen Waldviertel.

Ljudmila Ulitzkaja wurde am 23. Februar 1943 in Dawlekanowo - zugehörig zur Republik Baschkortostan, Russland - geboren. Ab ihrem zweiten Lebensjahr wuchs sie in Moskau auf, wo sie bis heute lebt. Sie studierte Biologie und arbeitete ab 1967 als Genetikerin am Akademieinstitut in Moskau, bis die Gruppe junger Wissenschaftler, mit denen sie forschte, 1969 wegen der illegalen Abschrift und Verbreitung von Samisdat-Literatur, mit der versucht wurde, die staatliche Zensur zu umgehen, aufgelöst und entlassen wurde. Nach Abschluss eines zweiten, geisteswissenschaftlichen Studiums verbrachte Ljudmila Ulitzkaja zwei Jahre als Assistentin des künstlerischen Leiters am "Jüdischen Kammermusiktheater", für das sie auch dramaturgische Arbeiten übernahm wie Programmhefte, diverse Artikel und auch Szenarien zu konzipieren und schreiben.

Ljudmila Ulitzkaja identifizierte sich nicht mit der jüdischen Religion, wie andere Teile ihrer Familie. Sie fühlte sich aber künstlerisch eingeschränkt, da das Judentum thematisch tabuisiert war. Nach zwei Jahren verließ sie das Theater und probierte sich freischaffend als Autorin, Publizistin und Übersetzerin zu etablieren, wurde aber von den sowjetischen Literaturzeitschriften lange Zeit abgelehnt. 1983 konnte sie trotz dieser Widerstände ihren ersten Erzählungsband im Staatlichen Kinderbuchverlag veröffentlichen.

Erst auf dem Umweg über Frankreich, wo Ende der achtziger Jahre erste Erzählungen von ihr erschienen, erlangte Ljudmila Ulitzkaja auch in Russland Aufmerksamkeit. Für ihre berühmteste Novelle Sonetschka, mit der ihr 1992 der internationale Durchbruch gelang, erhielt sie 1996 in Frankreich den Prix Médicis, 2001 wurde sie mit dem "russischen Booker Prize" für Reise in den siebenten Himmel ausgezeichnet. 2009 erhielt sie den Alexandr-Men-Preis für die interkulturelle Vermittlung zwischen Russland und Deutschland. Die Erzählungen und Romane von Ljudmila Ulitzkaja wurden in 17 Sprachen übersetzt, sie wird in Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden ebenso gelesen wie in Amerika, China und der Türkei.

Ihre Prosawerke sind oft im russischen Künstler- und Akademikermilieu angesiedelt, biblische und mythische Motive finden genauso Eingang wie auch aktuelle Fragestellungen betreffend Gentechnik, Ethos in der Wissenschaft und den Grenzen der Forschung.

Ihre Helden sind oftmals Heldinnen. Heldinnen des Alltags, Frauen, die in Traditionen und Familienkonstellationen verhaftet sind, aus denen es kaum ein Entrinnen gibt. Frauen, die aber weder mit ihrem Schicksal hadern, noch in Larmoyanz verfallen, sodass Ulitzkajas Erzühlungen nicht ins Rührselige kippen. Das liegt daran, dass ihr Blick auf diese Heldinnen zwar emphatisch ist, aber immer auch mit Ironie unterlegt. Aber auch mit ihren männlichen Protagonisten wie Daniel Stein oder Schurik setzt sie sich genauso akribisch auseinander.

Ljudmila Ulitzkaja gilt als eine wichtige Stimme Russlands, gerade auch in der jetzigen politischen Situation.

In deutscher Sprache sind von Ludmila Ulitzkaja erschienen:

1992
Russische Erzählungen
1994
Zarte und grausame Mädchen
1997
Medea und ihre Kinder
Sonetschka
1998
Ein fröhliches Begräbnis
1999
Olgas Haus
2001
Reise in den Siebenten Himmel
2003
Die Lügen der Frauen. Erzählungen
2005
Ein glücklicher Zufall und andere Kindergeschichten. Jugendbuch
Ergebenst, Euer Schurik. Roman
2006
Daniel Stein, Roman
2007
Maschas Glück. Erzählungen
2012
(voraussichtlich ab 27.8.) Das grüne Zelt

Alle deutschen Übersetzungen: Ganna-Maria Braungardt

Vortrag von Nina L. Khrushcheva (PDF)
Biografie Ljudmila Ulitzkaja

Programm:

19. Oktober


17 bis 19.30 Uhr Ein fröhliches Begräbnis

Stalins Tod es liest Caroline Peters
Vortrag von Nina L. Khrushcheva
Ein fröhliches Begräbnis es lesen Alina Levshin und Markus Hinterhäuser
Ljudmila Ulitzkaja im Gespräch mit Susanne Scholl


20.15 bis 22 Uhr Unbedingte Liebe

Ein langes langes Leben es lesen Sabine Gruber, Adina Vetter und Harald Windisch
Sonetschka es liest Elisabeth Orth

20. Oktober


17 bis 19.20 Uhr Daniel Stein / Ergebenst, Euer Schurik

Daniel Stein es lesen Olga Grjasnowa und Maria Hofstätter
Vortrag von Ganna-Maria Braungardt
Ergebenst, euer Schurik es lesen Milena Michiko Flasar, Brigitta Furgler, Magdalena Kronschläger und Ivan Shvedoff


20 bis 22 Uhr Das grüne Zelt

Ljudmila Ulitzkaja im Gespräch mit Olga Grjasnowa
Das grüne Zelt es lesen Ljudmila Ulitzkaja und Peter Matic

19. & 20.10.2012
19. & 20.10.2012

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